Was aus der Heimat der Elektror
Verfasst: Sonntag 8. April 2007, 19:00
07.09.2005 - Esslinger Zeitung - Lena Fleischer
KREIS ESSLINGEN: Die Alarmhörner sind nur noch in wenigen Gemeinden zu finden - Feuerwehrmänner werden über Funk informiert
Im Notfall heulten sie einst von den Dächern der Gemeinden, doch heute haben die Sirenen im Kreis Esslingen größtenteils ausgedient. Die wenigsten Feuerwehren sind noch auf die Alarmierung mittels Sirene angewiesen und so ist das Gros der Anlagen längst abgebaut.
Bis 1999 kamen viele Sirenen aus Esslingen: Die Firma Elektror, 1923 als Elektror-Motoren-Handelsgesellschaft von Karl W. Müller gegründet, stellte seit 1930 Elektromotoren her. Diese trieben einen Flügel an, der eine Luftströmung erzeugte was das Heulen verursachte. In sechs Größen wurden die Pilze gebaut und fanden vielfältigen Einsatz: Als Pausensirene in Betrieben und als Alarmanlage, die Polizeimotorräder von BMW wurden damit ausgestattet, ebenso wie Krankenfahrzeuge des Militärs. Zu Bestzeiten produzierte Elektror 7000 Stück pro Jahr. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Herstellung zurückgeschraubt. Heute baut die Firma statt Sirenen Industrieventilatoren, doch Harald Strehle, der seit 1969 im Betrieb arbeitet, denkt gern an die Alarmhörner zurück: Was Vergleichbares gibt''s nicht mehr.
Wer schlägt jetzt Alarm?
Denn nach der Wiedervereinigung gab der Bund die Zuständigkeit für die Heuler ab und strich Gelder zur Pflege und Wartung der Geräte. Diese Kosten wären bei der Stadt hängen geblieben, so Rainer Stalzer, Leiter der Esslinger Feuerwehr. Darum wurden in der Stadt fast alle der knapp 20 Sirenen, die ein flächendeckendes Netz bildeten, abmontiert. Die Wehr ist auf den Sirenenalarm längst nicht mehr angewiesen, das laufe seit Jahren per Funk. Trotzdem sieht Stalzer ein Problem: Wie kann man die Bevölkerung im Notfall dazu bewegen, das Radio oder Fernsehen einzuschalten, damit die Menschen wichtige Durchsagen beachten?
Dieter Ihle, Leiter des Amts für Statistik, Zivil- und Katastrophenschutz in Esslingen, kann sich noch an eine Gasexplosion in Weil in den 1980er Jahren erinnern. Da fehlte das Horn, so dass Wehr und Polizei mit Lautsprecherfahrzeugen durch die Straßen fahren mussten, um die Bürger zu warnen. Ich habe den Abbau bedauert, resümiert Ihle.
Er weiß auch, dass inzwischen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) die Lücke erkannt hat und sich für digitale Meldegeräte im Katastrophenschutz einsetzt, um beispielsweise bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 die Sicherheit garantieren zu können. Wir brauchen eine funktionsfähige Alarmierungsmöglichkeit, meint Ihle, doch er ist sicher: Die Sirenen kommen nicht wieder. Im Gegensatz zu den Esslingern leistet sich der Landkreis Tübingen übrigens noch rund 80 Sirenen und Roland Lau, der dort für den Katastrophenschutz zuständig ist, glaubt sogar, es könne zu einer Wiederbelebung des ohrenbetäubenden Alarms kommen.
In Kappishäusern wird''s noch laut
In Erkenbrechtsweiler gibt es den bis heute. Weil das Abbauen des Warngerätes ein Vielfaches kosten würde, ist der Pilz noch immer erhalten. Die Wartung kostet nach Angaben von Bürgermeister Roman Weiß nur 20 Euro pro Jahr, darum möchte die Gemeinde nicht auf die Sirene verzichten. Sie ertönt bei Übungen und wenn jemand den Alarm per Knopfdruck am Rathaus auslöst. Doch jeder Feuerwehrmann trägt auch einen Melder bei sich, denn eigentlich hält auch Weiß die Sirenentechnik für veraltet. Wenn etwas passiert, werden die Bewohner über Handy und Fernsehen schneller informiert, ist der Ortschef sicher.
Die Sirene vom Dach zu nehmen, steht auch im Neuffener Ortsteil Kappishäusern nicht zur Debatte: Hier gibt es den Alarm per Funkmelder nicht, darum sind die Wehrmänner auf das Horn am Rathaus angewiesen. Schwierig wird es allerdings, wenn einer außerhalb der Gemeinde arbeitet oder auf dem Feld unterwegs ist dann ist das Warnzeichen kaum zu hören. Das Geheul wird zweimal jährlich probehalber ausgelöst, zirka fünf Mal lief die Sirene im Ernstfall, schätzt Bürgermeister Reinhard Schur. Dabei ist das Warnsignal dreimal jeweils eine Minute zu hören. Doch das hat auch Nachteile: Es störe die Bevölkerung nachts, darum findet Schur: Eine stille Alarmierung wäre besser. Dann gäbe es in der 550-Seelen-Gemeinde auch keinen Menschenauflauf, wenn die Sirene heult. Denn Schur weiß, dass bei einem Alarm nicht nur die Feuerwehrmänner ausrücken: Man muss ja gucken, was da los ist.
Esslinger Zeitung
KREIS ESSLINGEN: Die Alarmhörner sind nur noch in wenigen Gemeinden zu finden - Feuerwehrmänner werden über Funk informiert
Im Notfall heulten sie einst von den Dächern der Gemeinden, doch heute haben die Sirenen im Kreis Esslingen größtenteils ausgedient. Die wenigsten Feuerwehren sind noch auf die Alarmierung mittels Sirene angewiesen und so ist das Gros der Anlagen längst abgebaut.
Bis 1999 kamen viele Sirenen aus Esslingen: Die Firma Elektror, 1923 als Elektror-Motoren-Handelsgesellschaft von Karl W. Müller gegründet, stellte seit 1930 Elektromotoren her. Diese trieben einen Flügel an, der eine Luftströmung erzeugte was das Heulen verursachte. In sechs Größen wurden die Pilze gebaut und fanden vielfältigen Einsatz: Als Pausensirene in Betrieben und als Alarmanlage, die Polizeimotorräder von BMW wurden damit ausgestattet, ebenso wie Krankenfahrzeuge des Militärs. Zu Bestzeiten produzierte Elektror 7000 Stück pro Jahr. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Herstellung zurückgeschraubt. Heute baut die Firma statt Sirenen Industrieventilatoren, doch Harald Strehle, der seit 1969 im Betrieb arbeitet, denkt gern an die Alarmhörner zurück: Was Vergleichbares gibt''s nicht mehr.
Wer schlägt jetzt Alarm?
Denn nach der Wiedervereinigung gab der Bund die Zuständigkeit für die Heuler ab und strich Gelder zur Pflege und Wartung der Geräte. Diese Kosten wären bei der Stadt hängen geblieben, so Rainer Stalzer, Leiter der Esslinger Feuerwehr. Darum wurden in der Stadt fast alle der knapp 20 Sirenen, die ein flächendeckendes Netz bildeten, abmontiert. Die Wehr ist auf den Sirenenalarm längst nicht mehr angewiesen, das laufe seit Jahren per Funk. Trotzdem sieht Stalzer ein Problem: Wie kann man die Bevölkerung im Notfall dazu bewegen, das Radio oder Fernsehen einzuschalten, damit die Menschen wichtige Durchsagen beachten?
Dieter Ihle, Leiter des Amts für Statistik, Zivil- und Katastrophenschutz in Esslingen, kann sich noch an eine Gasexplosion in Weil in den 1980er Jahren erinnern. Da fehlte das Horn, so dass Wehr und Polizei mit Lautsprecherfahrzeugen durch die Straßen fahren mussten, um die Bürger zu warnen. Ich habe den Abbau bedauert, resümiert Ihle.
Er weiß auch, dass inzwischen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) die Lücke erkannt hat und sich für digitale Meldegeräte im Katastrophenschutz einsetzt, um beispielsweise bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 die Sicherheit garantieren zu können. Wir brauchen eine funktionsfähige Alarmierungsmöglichkeit, meint Ihle, doch er ist sicher: Die Sirenen kommen nicht wieder. Im Gegensatz zu den Esslingern leistet sich der Landkreis Tübingen übrigens noch rund 80 Sirenen und Roland Lau, der dort für den Katastrophenschutz zuständig ist, glaubt sogar, es könne zu einer Wiederbelebung des ohrenbetäubenden Alarms kommen.
In Kappishäusern wird''s noch laut
In Erkenbrechtsweiler gibt es den bis heute. Weil das Abbauen des Warngerätes ein Vielfaches kosten würde, ist der Pilz noch immer erhalten. Die Wartung kostet nach Angaben von Bürgermeister Roman Weiß nur 20 Euro pro Jahr, darum möchte die Gemeinde nicht auf die Sirene verzichten. Sie ertönt bei Übungen und wenn jemand den Alarm per Knopfdruck am Rathaus auslöst. Doch jeder Feuerwehrmann trägt auch einen Melder bei sich, denn eigentlich hält auch Weiß die Sirenentechnik für veraltet. Wenn etwas passiert, werden die Bewohner über Handy und Fernsehen schneller informiert, ist der Ortschef sicher.
Die Sirene vom Dach zu nehmen, steht auch im Neuffener Ortsteil Kappishäusern nicht zur Debatte: Hier gibt es den Alarm per Funkmelder nicht, darum sind die Wehrmänner auf das Horn am Rathaus angewiesen. Schwierig wird es allerdings, wenn einer außerhalb der Gemeinde arbeitet oder auf dem Feld unterwegs ist dann ist das Warnzeichen kaum zu hören. Das Geheul wird zweimal jährlich probehalber ausgelöst, zirka fünf Mal lief die Sirene im Ernstfall, schätzt Bürgermeister Reinhard Schur. Dabei ist das Warnsignal dreimal jeweils eine Minute zu hören. Doch das hat auch Nachteile: Es störe die Bevölkerung nachts, darum findet Schur: Eine stille Alarmierung wäre besser. Dann gäbe es in der 550-Seelen-Gemeinde auch keinen Menschenauflauf, wenn die Sirene heult. Denn Schur weiß, dass bei einem Alarm nicht nur die Feuerwehrmänner ausrücken: Man muss ja gucken, was da los ist.
Esslinger Zeitung